Vogelschutzgebiet am Hartwald - Einleitung
Fellbach, 3. Juni 2009
Der Hartwald ist ein Paradies für seltene Vogelarten
Neue Serie über die Arten des Hartwaldes - 30 Jahre EG-Vogelschutzrichtlinie
Fellbach - Kaum ein anderes Gebiet in der Region ist artenreicher als der Oeffinger Hartwald. Er ist Teil des Vogelschutzgebiets Unteres Remstal und damit europäisches Natura 2000-Reservat. In einer neuen Serie blicken wir in dieses Schatzkästchen der Artenvielfalt und stellen in Portraits einige der zahlreichen seltenen Vogelarten vor, die im Hartwald vorkommen. Zunächst jedoch soll ein Überblick über das Gebiet selbst die Reihe einleiten, bevor es in der nächsten Folge mit den Spechten weitergeht.
Es zwitschert und trällert wieder in Wald und Flur. Im Norden von Oeffingen ist die Vogelwelt besonders reichhaltig. Der Hartwald mit den umgebenden Streuobstgebieten ist geradezu ein wahres Schatzkästchen der Artenvielfalt. Was unter Kennern schon lange bekannt ist, dürfte für viele Menschen in Fellbach neu sein: Rund 120 seltene und teils vom Aussterben bedrohte Vogelarten kommen in dem landschaftlich schönen Gebiet vor. Mehr als die Hälfte, nämlich 68 Arten brütet hier. Damit zählt der Hartwald zu den herausragenden Vogelbeobachtungsgebieten in der Region Stuttgart. Sein enormer Artenreichtum hat dazu geführt, dass er zu einem so genannten Natura 2000-Gebiet von europaweitem Rang ausgewiesen wird. Die Auswahlprozedur, die im vergangenen Jahr mit einer letzten Nachmelderunde abgeschlossen wurde, sieht vor, den Hartwald und den umgebenden Streuobstgürtel an das schon bestehende große Vogelschutzgebiet Unteres Remstal anzugliedern, das gleichzeitig noch FFH-Gebiet ist, zu dem außerdem noch der Oeffinger Scillawald gehört. Damit wird die bereits 30 Jahre alte EG-Vogelschutzrichtlinie umgesetzt und ein großes, zusammenhängendes Areal mit äußerst wertvollen Flächen unter Schutz gestellt, an dem Fellbach einen wichtigen Anteil hat (s. Hintergrund).
Dieses Natura 2000-Gebiet kann mit einer breiten Palette an seltenen Arten aufwarten. Hier leben Vögel vom winzig kleinen, nur 5 Zentimeter großen Wintergoldhähnchen bis zum majestätischen Rotmilan mit 1,70 Flügelspannweite. Von besonderer Bedeutung sind freilich in erster Linie diejenigen Arten, die auf der so genannten Anhangsliste der europäischen Vogelschutzrichtlinie aufgeführt sind. Dazu zählen zum Beispiel der hübsche Halsbandschäpper, der seltene Mittelspecht oder der Wendehals. Einige der markantesten Vertreter wollen wir in einer mehrteiligen Serie den FZ-Lesern bekannt machen.
Das Gebiet um den Hartwald, von den Oeffingern auch einfach die Hart genannt, beherbergt neben der Vielzahl seltener Vogelarten auch zahlreiche Insekten und andere Wirbellose, Säugetiere, Amphibien und Reptilien sowie natürlich jede Menge wunderschöner Blütenpflanzen, Farne, Moose und Flechten. Die gesamte Artenzahl aller Organismen dürfte insgesamt bei mindestens Viertausend liegen ? ein wahres Füllhorn der Biodiversität. Die Mehrheit dieser vielen Arten dürfte sicherlich in den extrem wertvollen Streuobstbeständen zu finden sein, die sich vor allem südlich und westlich des Waldes erstrecken. Hier besteht die größte Strukturvielfalt in Form eines abwechslungsreichen Waldes und einer halboffenen Obstbaumlandschaft mit jungen und alten höhlenreichen Bäumen. Dazwischen sind offene, sonnige Wiesenflächen, Hecken und Gebüsche, Trockenmauern und schattiger Waldsaum zu finden. Die Nordseite fällt dagegen sowohl strukturell, als auch von der Anzahl der Arten deutlich ab. Sie hat allerdings eine wichtige Verbindungsfunktion zum nahe gelegenen Remstal. Dort sind der Charakter des Auwaldes, der Fluss begleitenden Gehölze und natürlich der riesige Remsecker Steinbruches für die dortige Artenzusammensetzung verantwortlich. An der Rems brüten mit Eisvogel und Wanderfalke zwei ganz besonders prominente Vertreter der Vogelwelt.
Der Hartwald selbst ist ein vielfältiges Gemisch aus verschiedenen Waldbereichen und Waldtypen. Vorherrschend ist ein Eichen-Hainbuchen-Wald, der relativ licht und dementsprechend unterwuchsreich ist. Daneben gibt es einen großen Anteil Buchenwald, in dem es richtige so genannte Hallenbestände aus großen, alten Buchen gibt. Daneben finden sich Abteilungen in denen Nadelhölzer wie Tannen, Fichten oder auch Kiefern überwiegen. Im südlichen Bereich, im Gewann Wasserkiel, stehen wegen der Staunässe viele Eschen. Der Wald hat hier einen völlig anderen Charakter wie im nördlichen Teil.
Leider wurden in den letzten Jahren viele alte und damit besonders wertvolle Bäume gefällt. Offenbar hat der Staatsforst, unter dessen Zuständigkeit der Hartwald fällt, eine Phase des vermehrten Holzeinschlages umgesetzt. Auch wenn noch in vielen Bereichen Altholz stehen geblieben ist, so fällt der Unterschied stellenweise deutlich ins Auge, nicht nur wenn man die an den Wegrändern gestapelten Stämme sieht. Unter den gefällten Bäumen findet man leider immer wieder solche mit Spechthöhlen. Denn der Hartwald ist wegen der vielen unterschiedlichen Baumarten und der noch günstigen Alterszusammensetzung der Bäume ein ideales Spechtrevier. Doch darüber berichten wir in der nächsten Folge mehr. (4.451 Zeichen, ohne Leerzeichen; 5148 Zeichen mit Leerzeichen)
Hintergrund Natura 2000:
Natura 2000 ist ein EU-weites, zusammenhängendes Netzwerk von Schutzgebieten zum Erhalt gefährdeter Lebensräume und Arten. Es setzt sich sowohl aus Vogelschutzgebieten als auch so genannten FFH-Gebieten zusammen. Die Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie wurde 1992 von der EU erlassen, (dabei bedeutet Flora = Pflanzenwelt, Fauna = Tierwelt, Habitat = Lebensräume). Die EG-Vogelschutzrichtlinie stammt bereits aus dem Jahr 1979. Mit diesem Instrument, dessen 30-jähriges Jubiläum dieses Jahr gefeiert werden kann haben sich die Mitgliedstaaten der Europäischen Union zum Schutz der wildlebenden Vogelarten und ihrer Lebensräume verpflichtet. Allerdings haben viele der Staaten mehr als ein Vierteljahrhundert gebraucht, um die entsprechenden Gebiete auszuweisen.
Für die Auswahl und Meldung der Natur 2000-Gebiete, ihren Schutz und ihr Management sind in Deutschland die Bundesländer zuständig. Deutschlandweit sind rund 14% der Landesfläche und 31% der Meeresfläche gemeldet. In Baden-Württemberg stehen 350 Gebiete mit einer Gesamtfläche von etwa 630.000 ha unter dem besonderen Schutz von Natura 2000. Dabei überlappen sich viele FFH-Gebiete und Vogelschutzgebiete ganz oder teilweise, so wie dies auch bei den Gebieten Unteres Remstal und Hartwald der Fall ist. Das Vogelschutzgebiet ?Unteres Remstal? mit der Nummer 7121-442, zu dem der Oeffinger Hartwald gehört, hat eine Gesamtfläche von 578 Hektar, 118 Hektar liegen dabei auf Fellbacher Gemarkung. Zum großen, aber stark zersplitterten FFH-Gebiet mit dem Namen ?Unteres Remstal und Backnanger Bucht? zählt auch der Oeffinger Scillawald.
Bei der Auswahl der jeweils wertvollsten Gebiete hat man sich ausschließlich an den Bedürfnissen der Natur orientiert. Politische oder wirtschaftliche Aspekte durften zunächst keine Rolle spielen. Dennoch sind Natura 2000-Gebiete keine Totalreservate, in denen jegliche Nutzung verboten ist. Das Gegenteil ist häufig der Fall: Viele traditionelle Kulturlandschaften in Europa sind erst durch die menschliche Bewirtschaftung so wertvoll geworden wie zum Beispiel die Streuobstlandschaften Süddeutschlands. Die Fortführung entsprechender Nutzungen ist demnach nicht nur möglich, sondern häufig sogar nötig, um die Erhaltungs- und Entwicklungsziele langfristig zu sichern. Der Zustand der dort geschützten Arten und Lebensräume darf sich nicht verschlechtern. Dafür werden spezielle Managementpläne erstellt, für deren Umsetzung verschiedene finanzielle Fördermöglichkeiten zur Verfügung stehen.
Besondere Eingriffe und deren Planungen, wie etwa ein Baugebiet oder eine Straßenplanung, die eine Beeinträchtigung eines Natura 2000-Gebietes bedeuten, erfordern eine umfassende Verträglichkeitsprüfung. Hierfür gelten europaweit strikte Regelungen. Diese finden auch bei der Planung der umstrittenen Neckarbrücke Anwendung.
Um die Entwicklung des Zustands der biologischen Vielfalt in der EU zu überwachen, sollen regelmäßig Bestandserhebungen durchgeführt werden. Auf Grundlage dieser fortlaufenden Beobachtungen berichten die EU-Mitgliedstaaten der Europäischen Kommission über den Erhaltungszustand der jeweiligen Arten und Lebensräume. Auf europäischer Ebene werden diese Daten dann zu einem Gesamtbild zusammengefügt und nach einem "Ampelschema" mit rot (schlecht), gelb (unzureichend) und grün (günstig) bewertet. Für die Vogelschutzgebiete soll alle drei Jahre ein entsprechender Zustandsbericht angefertigt werden.
Bereits erschienen sind:
Bunt-, Mittel- und Kleinspecht
Schwarz-, Grün- und Grauspecht
Halsbandschnäpper - eine echte Rarität!
Weitere Artikel sind in Vorbereitung!
Weitere Infos
Der NABU betreut zahlreiche Nistkästen in dem Gebiet. Für diese ehrenamtliche Arbeit werden dringend Spenden benötigt. Kontonr. 2044019 bei der Krissparkasse WN (BLZ 602 500 10), Stichwort Vogelschutzgebiet.
Wenn Sie wissen möchten, welche Arten im Vogelschutzgebiet des Hartwalds leben, können Sie sich die Artenliste mit Links zu weiteren Informationen anschauen. Bitte beachten Sie, dass diese Liste noch nicht vollständig ist, und demnächst noch um weitere Arten ergänzt wird. Als Anhang finden Sie unten die komplette Liste für das Untere Remstal samt Hartwald als PDF-Anhang.
Fotos (M. Eick)